Wenn Depression die Beziehung mitbestimmt – ein respektvoller Umgang für beide Seiten
- Julian Heinz
- 5. Sept.
- 3 Min. Lesezeit

Depression verändert nicht nur den Alltag des Betroffenen, sondern bringt auch die Beziehung aus dem Gleichgewicht. Ungleichgewichte, Schuldgefühle und Distanz belasten beide Seiten. Der Beitrag zeigt, wie kleine Schritte und respektvoller Umgang helfen können – und warum Paartherapie und psychotherapeutische Unterstützung zentrale Wege zur Entlastung sind.
Eine Depression betrifft nicht nur den einzelnen Menschen, sondern immer auch seine Beziehungen. Für Paare bedeutet das: Ein unsichtbarer Dritter sitzt mit am Tisch. Das ist belastend – für den Betroffenen ebenso wie für den Partner. Ein depressiver Mensch kann nicht einfach funktionieren wie früher. Energie, Antrieb und Konzentration sind eingeschränkt, selbst kleine Aufgaben fühlen sich an wie große Hürden. Erwartungen müssen deshalb an die Krankheit angepasst werden.
Ich möchte nicht, dass du dich alleine fühlst. Was würde dir weniger das Gefühl geben, alleine zu sein?“ Solche Reaktionen zeigen Verständnis, ohne Druck zu machen, und lassen den depressiven Menschen mit seinen Gefühlen nicht im luftleeren Raum stehen.
Hilfreich sind kleine, realistische Schritte wie „Heute dusche ich“ oder „Ich gehe einmal um den Block“. Solche Ziele stärken das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Auch das Benennen von Gefühlen – „Ich bin traurig“, „Ich fühle mich erschöpft“ oder auch „Ich fühle mich alleine“ – schafft Verbindung, selbst wenn es keine Lösung gibt. Gerade solche Sätze können schwer sein, aber sie öffnen einen Raum für Nähe. Eine hilfreiche Antwort der Beziehungsperson könnte dann sein: „Das tut mir leid, dass du dich so fühlst. Danke, dass du dich mir mitteilst. Ich möchte nicht, dass du dich alleine fühlst. Was würde dir weniger das Gefühl geben, alleine zu sein?“ Solche Reaktionen zeigen Verständnis, ohne Druck zu machen, und lassen den depressiven Menschen mit seinen Gefühlen nicht im luftleeren Raum stehen.
Für die Angehörigen bringt diese Situation eine dauerhafte Belastung mit sich. Oft übernehmen sie über lange Zeit mehr Aufgaben im Alltag – Haushalt, Termine, Kinder – und erleben gleichzeitig, dass die gewohnte Unterstützung durch den Partner fehlt. Es entsteht ein Ungleichgewicht in den Rollen, das auf Dauer schwer auszuhalten ist.
Während die gesunde Beziehungsperson zunehmend trägt, wächst bei der depressiven Person das Gefühl, nichts zurückgeben zu können. Genau dieses Ungleichgewicht kann die Schuldgefühle der Betroffenen verstärken, die sich für ihr „Nicht-Können“ verantwortlich fühlen. So entsteht ein Teufelskreis: Der eine fühlt sich überfordert und allein gelassen, der andere schuldig und unfähig. Beide erleben eine zunehmende Distanz, obwohl sie sich eigentlich Nähe wünschen.
Die „eine Sache pro Tag“-Regel hilft, Erwartungen realistisch zu halten.
Diese Dynamik zeigt, wie wichtig es ist, dass Angehörige ihre Gefühle von Frust, Trauer oder Ohnmacht ernst nehmen und nicht unterdrücken. Sie sind legitim und Ausdruck der Belastung. Gleichzeitig braucht es Wege, um Missverständnisse zu vermeiden und die Beziehung nicht nur auf Funktion, sondern auch auf Verbindung zu gründen. Kleine Routinen wie ein Spaziergang oder eine gemeinsame Mahlzeit schaffen Stabilität, Signalwörter wie „Stopp“ oder „Jetzt“ verhindern Eskalationen. Die „eine Sache pro Tag“-Regel hilft, Erwartungen realistisch zu halten. Schon wenn ein kleiner Schritt gelingt, darf das als Erfolg gewürdigt werden.
Am Ende geht es nicht darum, die Depression wegzumachen, sondern trotz ihrer Präsenz Nähe und Stabilität zu bewahren. Eine Paartherapie kann dabei unterstützen, realistische Ziele zu entwickeln und einen Rahmen zu schaffen, in dem beide Beziehungspersonen klären können, was sie sich voneinander wünschen, wenn die Depression präsent ist. Parallel dazu bleibt eine psychotherapeutische Behandlung der Depression entscheidend, um Entlastung und nachhaltige Besserung zu ermöglichen.
Quellen:
Dinah-Kristin Berger – 7 Lügen, die dir eine Depression erzählt: Aus der verzerrten Wahrnehmung aussteigen und neuen Mut fassen; Mitfühlender Ratgeber über die häufigsten „Lügen“, die Depressionen Betroffenen einreden, und praxisnahe Strategien zur Selbsthilfe
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