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„Ich wollte nur sagen, dass es mir leid tut …“ Verantwortung oder Reue? Was der Dritte nach der Affäre wirklich tun sollte.

  • Autorenbild: Julian Heinz
    Julian Heinz
  • 16. Juni
  • 5 Min. Lesezeit

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Affären aus der Sicht des Dritten – und was eine Entschuldigung wirklich leisten kann 



Immer wieder entsteht eine dynamische Schieflage, wenn eine Affäre zwischen einer gebundenen Person und einem Dritten auffliegt: Ein Mann oder eine Frau hatte eine Affäre mit einer gebundenen Person. Es fliegt auf. Chaos. Verletzung. Scham. Und irgendwann taucht die Frage auf: Sollte ich mich beim betrogenen Partner entschuldigen?


Immer wieder entsteht eine dynamische Schieflage, wenn eine Affäre zwischen einer gebundenen Person und einem Dritten auffliegt: Ein Mann oder eine Frau hatte eine Affäre mit einer gebundenen Person. Es fliegt auf. Chaos. Verletzung. Scham. Und irgendwann taucht die Frage auf: Sollte ich mich beim betrogenen Partner entschuldigen?


Diese Frage wirkt auf den ersten Blick moralisch redlich. Oft steckt ein echtes Bedürfnis dahinter, Verantwortung zu übernehmen oder den entstandenen Schaden zumindest anzuerkennen. Gleichzeitig mischen sich darin häufig auch das Verlangen nach innerer Entlastung und die Unsicherheit darüber, was in so einer Situation angemessen ist.


Es ist nicht immer leicht zu unterscheiden, ob man wirklich dem anderen etwas Gutes tun will – oder ob es vor allem darum geht, das eigene Schuldgefühl zu mildern.

Besonders komplex wird es, wenn der betrogene Partner selbst den Kontakt sucht – etwa mit einer wütenden Nachricht oder einer direkten Konfrontation. Dann steht die Affäre plötzlich in der Position, reagieren zu müssen. Doch auch in dieser Situation gilt: Eine vorschnelle Antwort – sei sie versöhnlich oder defensiv – kann die Situation weiter eskalieren oder als Grenzüberschreitung erlebt werden.


Warum lassen wir uns auf Affären ein?

Nicht aus Bosheit. Sondern aus einem emotionalen Mangel heraus: Das Bedürfnis nach Bestätigung, Abenteuer, lebendiger Sexualität oder Verbundenheit wird stärker als die moralische Integrität.


Für den Dritten im Spiel (also nicht den oder die Fremdgeher:in, sondern die Affäre selbst) ist das eine Mischung aus Verführung und innerer Ambivalenz. Oft verdrängt man die Existenz des eigentlichen Partners oder spielt die moralische Schuld herunter („Ich bin ja nicht der Vergebene“). Dass der Schmerz am Ende aber real ist – für alle Beteiligten – wird erst deutlich, wenn alles auffliegt.


Die Auswirkungen reichen weit über die Dreieckskonstellation hinaus: Es geht um Vertrauensverluste, emotionale Sicherheit und die Stabilität einer ganzen Familie.

Dabei entsteht der Schaden nicht nur zwischen zwei Erwachsenen auf der Beziehungsebene. In vielen Fällen sind auch Kinder involviert – und damit wird die Affäre zu einer Erschütterung des familiären Gefüges. Die Auswirkungen reichen weit über die Dreieckskonstellation hinaus: Es geht um Vertrauensverluste, emotionale Sicherheit und die Stabilität einer ganzen Familie.


Die impulsive Reue: Ich will mich entschuldigen!

Wenn der betrogene Partner plötzlich vor einem steht oder Nachrichten schreibt, bricht bei vielen der emotionale Damm. Es kommen Sätze wie:


"Ich will ihm sagen, dass es mir leid tut. Dass ich nicht wusste, worauf ich mich einlasse."


"Ich habe einen Fehler gemacht und möchte Verantwortung übernehmen."


Der Impuls ist menschlich. In vielen Fällen geht es dabei um eine Mischung aus echter Reue, dem Wunsch, innerlich wieder ins Gleichgewicht zu kommen und – nicht selten – auch um Angst vor möglichen Konsequenzen. Manche hoffen, durch eine Entschuldigung deeskalierend zu wirken oder den betrogenen Partner zu besänftigen, um weitere Konflikte oder Eskalationen zu vermeiden. Man möchte Verantwortung übernehmen – doch oft ist unklar, wie das auf eine Weise geschehen kann, die nicht übergriffig oder selbstzentriert wirkt. Eine gut gemeinte Entschuldigung kann schnell missverstanden werden, wenn sie vor allem der eigenen Entlastung dient.


Hinzu kommt, dass es dem Dritten – also der Person außerhalb der ursprünglichen Partnerschaft – in manchen Fällen auch darum gehen könnte, die ehemalige Affäre nicht einfach im Stich zu lassen. Je nach Kontext, emotionaler Verbundenheit oder gemeinsamer Geschichte entsteht der Wunsch, nicht einfach wortlos zu verschwinden, sondern auf eine respektvolle Art Abschied zu nehmen oder Klarheit zu schaffen. Auch das kann ein Motiv für den Kontakt sein – zwischen Fürsorge, Schuldgefühl und dem Bedürfnis nach einem würdevollen Abschluss.


Eine echte Entschuldigung fragt zuerst: Was braucht der andere?

Und hier ist es entscheidend zu verstehen: Was will der betrogene Partner wirklich?

In der Akutphase einer Enttarnung steht der betrogene Mensch meist unter Schock. Wut, Schmerz, Kontrollverlust. In diesem Zustand braucht er keine moralischen Gesten vom Nebenbuhler. Sondern vor allem Abstand, Schutz, Halt – und Raum zur Verarbeitung.


Auch wenn der betrogene Partner den Kontakt aktiv sucht – etwa mit einer Vorwurfshaltung oder sogar einer Drohung –, bedeutet das nicht automatisch, dass er offen für echte Kommunikation ist. Häufig ist es eher Ausdruck von Ohnmacht, Wut oder dem Wunsch nach Kontrolle. Eine vorschnelle Entschuldigung kann in diesem Moment wie ein Ausweichmanöver wirken: "Jetzt entschuldigt er sich auch noch? Soll ich ihm dafür danken?"


Der betrogene Partner will nicht getröstet werden vom Mitverursacher des Schmerzes. Und schon gar nicht will er der emotionale Mülleimer für das schlechte Gewissen eines Dritten sein.

Und was ist mit der Person, die betrogen hat?

Auch der oder die Fremdgeher:in steht unter enormem Druck. In vielen Fällen will diese Person nach dem Auffliegen der Affäre die Hauptbeziehung retten. Das gelingt meist nur, wenn Stabilität und Ruhe einkehren – nicht, wenn die Affäre weiterhin präsent bleibt. Aus ihrer Sicht ist es daher häufig am hilfreichsten, wenn der Dritte sich zurückzieht. Jede weitere Kontaktaufnahme, auch gut gemeint, kann als Störung oder Bedrohung empfunden werden und die Paararbeit erschweren.


Eine wirkliche Hilfe kann der Dritte nur dann sein, wenn das Paar ihn oder sie explizit in einen Klärungsprozess einbezieht – etwa um offene Fragen zu beantworten. Alles andere ist selten gewünscht und meist nicht hilfreich. In der Dynamik nach einer Affäre ist Zurückhaltung oft der respektvollste Beitrag.


Echte Verantwortung sieht anders aus

Wer Verantwortung übernehmen will, muss bereit sein, nicht sofort alles geradezubiegen. Verantwortung bedeutet auch, die Konsequenzen auszuhalten: dass man nichts mehr sagen darf, dass der andere vielleicht nie verzeiht, dass man mit dem eigenen Schuldgefühl leben muss.


Es braucht eine klare Reflexion:

  • Dient meine Entschuldigung dem anderen – oder nur mir?

  • Ist der Zeitpunkt überhaupt angemessen?

  • Bin ich bereit, auch keine Antwort zu bekommen?


Wenn nach langer Zeit und auf Wunsch des betrogenen Partners ein klärendes Gespräch stattfindet, kann das heilsam sein. Doch ein ungebetener Monolog im Dienste der eigenen moralischen Reinheit ist das Gegenteil davon.


Fazit: Die wichtigste Entschuldigung ist die an sich selbst

Wer Teil einer Affäre war, braucht nicht sofort Bußerituale. Sondern Klarheit. Warum habe ich mich darauf eingelassen? Hat mir etwas gefehlt? Würde ich es wieder so machen?


Wer das ehrlich beantworten kann, übernimmt Verantwortung auf der tiefsten Ebene. Nicht über Worte an den betrogenen Ehemann. Sondern über innere Konsequenz.


Manchmal ist die größte Form von Respekt, sich nicht mehr zu melden. Und endlich Verantwortung zu tragen – leise.



Quellen:

  • Gottman & After the Affair; Aufbauend auf gottmanschen Methoden zur Wiederherstellung von Vertrauen nach Untreue

  • Leo B. Carder – Anatomy of an Affair; Veranschaulicht, wie Affären entstehen und welche Dynamiken beide Seiten durchlaufen

  • Esther Perel – The State of Affairs: Rethinking Infidelity; Tiefgehende Analyse, warum Menschen fremdgehen und wie Affären in langfristigen Beziehungen

 
 
 

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